Interview mit dem Leiter der Agentur für Arbeit Aachen-Düren

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Etwa 18 Prozent der Mitglieder der VUV haben zum jetzigen Zeitpunkt ihre für dieses Jahr angebotenen Ausbildungsplätze teilweise oder sogar schon komplett besetzt. Rund 30 Prozent werden in den kommenden Wochen mit dem Bewerbungsprozess starten. Das hat die aktuelle Montagsfrage bei unseren Mitgliedsunternehmen ergeben. Bei der Suche nach geeigneten Auszubildenden setzt die überwiegende Mehrheit von 60 Prozent auf Informationen sowie die Schaltung von Anzeigen in den sozialen Medien. Rund ein Viertel der Mitglieder präsentiert sich auf aktuell auf virtuellen Ausbildungsmessen. Auf Anzeigen in Printmedien möchten rund 18 Prozent der Betriebe nicht verzichten; ebenfalls 18 Prozent gehen aktiv auf Schulen zu. Knapp ein Viertel der Antwortenden kooperiert mit der Agentur für Arbeit Aachen-Düren. Wir haben Ulrich Käser, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Aachen-Düren, um seine Einschätzung zur Entwicklung des Ausbildungsmarktes in der Pandemie befragt. Er sagt: „Der Ausbildungsmarkt ist ein Bewerbermarkt". Und erläutert, was Arbeitgeber wissen sollten und, warum ein Bewerbermarketing wichtig ist.  

Herr Käser, wie hat sich der Ausbildungsmarkt seit der Corona-Pandemie entwickelt?

Der Ausbildungsmarkt in unserer Region ist kein Selbstläufer mehr und hat sich von einem Stellenmarkt hin zu einem Bewerbermarkt entwickelt. Wir werden in diesem Jahr voraussichtlich weniger Bewerber/innen haben, als gemeldete Ausbildungsstellen. Diese Entwicklung wurde nicht durch die Corona-Pandemie ausgelöst, aber durch diese verschärft. Bereits seit einigen Jahren sinkt die Zahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger in unserer Region. Dazu kommt, dass immer mehr Jugendliche einen höheren Bildungsabschluss anstreben und ein Studium einer betrieblichen oder schulischen Ausbildung vorziehen. Unternehmen und Jugendliche haben in der Pandemie mehr denn je das Problem zusammenzufinden. Vielleicht auch deshalb, weil viele Unternehmen nicht wissen, wie sie die Jugendlichen erreichen sollen und was sich diese für ihre berufliche Zukunft erhoffen. Für Arbeitgeber bedeutet diese Entwicklung, dass sie neue Wege finden müssen für sich und ihre Ausbildungsstellen zu werben. Jugendliche werden mit neuen Herausforderungen wie Distanzunterricht, fehlende Möglichkeiten Berufe kennenzulernen, nicht stattgefundene Praktika und Ausbildungsmessen konfrontiert. In Zeiten der Pandemie neigen viele Jugendliche dazu, angesichts der hohen Unsicherheit länger im Schulsystem zu bleiben.

Gemeinsam mit den regionalen Partnern am Ausbildungsmarkt werben wir deshalb weiterhin für das Erfolgsmodell der betrieblichen Ausbildung.

Wie unterstützt die Agentur für Arbeit die jungen Menschen generell und was unternehmen Sie, um Jugendliche und Arbeitgeber zusammenzubringen?

Wir bringen Arbeitgeber und Jugendliche zusammen, in dem wir die Ausbildungssuchenden mit passenden freien Stellenangeboten versorgen. Natürlich stehen wir für alle Fragen rund um das Thema der betrieblichen Ausbildung Arbeitgebern beratend zur Seite. Ebenso stehen unsere Vermittlungs- und Beratungsfachkräfte regelmäßig mit den Arbeitgebern in Kontakt und organisieren zum Beispiel virtuelle Veranstaltungen wie Ausbildungsbörsen und Vorstellungsgespräche, in denen sie ihr Unternehmen präsentieren können und direkt auf potenzielle Bewerber/innen treffen.

Generell beginnt die Vorbereitung der jungen Menschen auf die Berufswelt ab der 8. Klasse und in Gymnasien ab der 9. Klasse mit der ersten Berufsorientierung, um die Jugendlichen schon früh mit diesem Thema in Kontakt zu bringen. Hier lernen sie auch die ersten Grundbegriffe der Arbeitswelt näher kennen. Zwei Jahre vor dem Schulabschluss bieten unsere Berufsberater/innen ein umfangreiches Angebot an individuellen Beratungsgesprächen und Sprechzeiten sowie einer intensiveren Berufsorientierung an. Natürlich hat die Pandemie den persönlichen Kontakt erschwert, deshalb haben wir virtuelle Wege gefunden und auch die Beratung per Video eingeführt.

Wie können Arbeitgeber die Jugendlichen auf ihr Unternehmen aufmerksam machen?

Es gibt immer mehr Firmen, die ein eigenes Bewerbermarketing aufbauen, um die Attraktivität des Unternehmens und der Ausbildungsplätze zu steigern. Auch die Teilnahme an virtuellen Veranstaltungen oder Messen gehören zum Marketing dazu. Das Angebot von Betriebsbesichtigungen inklusive praktischer Einbindung, Praktika oder einen Tag der offenen Tür - virtuell oder persönlich - sind weitere wichtige Bausteine.

Eine interessante Präsenz auf Instagram, Tiktok oder anderen Plattformen mit adressatengerechten Posts spricht die Zielgruppe an. Die meisten Jugendlichen sind aktiv in Social Media vertreten. Potenzielle Bewerber/innen können dem Account „folgen“ und erhalten entsprechende Infos des Arbeitgebers.Hierzu können auch die eigenen Auszubildenden in die Aktivitäten einbezogen werden. Ein regelmäßiger Austausch mit Auszubildenden in Präsenz oder per Video, Einladungen zu besonderen Anlässen oder regelmäßige Gespräche mit den Vorgesetzten führen dazu, dass Jugendliche an ein Unternehmen gebunden werden und auch selbst für dieses werben.

Auch wir nutzen gemeinsam mit den regionalen Partnern am Ausbildungsmarkt den Instagram-Kanal Ausbildungjetzt, um die Jugendlichen über alles rund um das Thema Ausbildung zu informieren.

Was ist den jungen Menschen konkret wichtig, wenn es um die Frage geht, ob sie eine Ausbildung in einem Unternehmen beginnen wollen oder nicht?

Die heutigen Jugendlichen gehören zu der Generation, die komplett mit digitalen Technologien aufgewachsen sind. Internet und Smartphone gehören zu ihrem privaten Leben wie selbstverständlich dazu. Ein Austausch über die modernen Medien findet ununterbrochen statt. Für viele junge Menschen ist der Grad der Digitalisierung in einem Unternehmen von hoher Bedeutung, gerade auch mit Blick auf die künftige technologische Entwicklung der Firma. Viele junge Menschen möchten in einer Firma tätig sein, die sich frühzeitig mit den Trends von Morgen beschäftigt. Auch das Thema „Nachhaltigkeit“ spielt eine Rolle bei der Entscheidungsfindung. Ebenso ist es den jungen Menschen wichtig eine sinnerfüllende Tätigkeit auszuführen, einbezogen zu werden und sich selber verwirklichen zu können.

Wir raten Arbeitgebern sich im Auswahlprozess Zeit für den Jugendlichen zu nehmen und die Motive der Jugendlichen, warum sie sich für bestimmte Betriebe entscheiden zu kennen. Hier gibt es zahlreiche aktuelle Publikationen, die diesen Veränderungsprozess beschreiben. Ohne Kenntnis der Motivlage von jungen Menschen ist ein Bewerbermarketing wenig erfolgreich. Wenn die falschen Anreize platziert und in den Mittelpunkt der Unternehmenspräsentation gestellt werden, entfalten sie keine positive Wirkung. Nicht nur der Jugendliche muss einen guten Eindruck machen und sich präsentieren. Jugendliche legen besonderen Wert auf das Vorhandensein eines guten Betriebsklimas, eine interessante Tätigkeit sowie interessante Projekte und die Vereinbarkeit von Freizeit (Familie) und Beruf.

Weitere Ansatzpunkte sind eine frühzeitige Übernahmegarantie und das Erleben von Wertschätzung auf allen Ebenen. Bereits vor Ausbildungsbeginn sollte dem jungen Menschen bewusst sein, dass er/sie in dem Unternehmen herzlich willkommen ist. Hierüber werden die Jugendlichen mit Eltern und Freunden sprechen, was letztendlich ein weiterer kleiner Baustein zur Steigerung der Attraktivität der dualen Ausbildung darstellt.

Ein Auszubildender ist gefunden – nach kurzer Zeit merkt der Arbeitgeber (oder auch der Auszubildende) aber, dass es nicht so ganz passt. Welche Empfehlung können Sie für den ersten Sand im Getriebe geben?

Wir und auch die Kammern bieten für unterschiedliche Probleme passende Lösungen an. Hakt es z. B. in der Berufsschule, kann Nachhilfe das Problem vielleicht schon lösen. Unsere Angebote reichen bis hin zu sozialpädagogischer Begleitung während der gesamten Ausbildungszeit. Zur Prävention von Ausbildungsabbrüchen haben wir ein gemeinsam mit den Kammern abgestimmtes Verfahren. Hier bieten wir eine führzeitige und direkt in den Berufsschulen stattfindende Unterstützung an. Der gemeinsame Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit und der Jobcenter informiert über die umfangreichen Angebote.

Ist die duale Ausbildung noch zeitgemäß?

Aus meiner Sicht ist die duale Berufsausbildung – genau wie vor der Pandemie – der entscheidende Baustein zur Sicherung des Fachkräftebedarfs. Sie wird sogar noch wichtiger, weil der Bedarf von Fachkräften aufgrund der demographischen Entwicklung noch stärker ansteigen wird. Auch an die Veränderungen und wachsenden Anforderungen der Arbeitswelt passt sich die duale Ausbildung mit neuen Ausbildungsberufen oder neuen Lerninhalten permanent an. Sie vermittelt die Grundlagen für ein lebenslanges Lernen und bildet den Grundstock für ein eigenständiges Leben.

 

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