Die Digitalisierung der Arbeitswelt und Arbeiten 4.0 sind heute in aller Munde und bringen auch für die Unternehmen der chemischen Industrie viele Fragen mit sich: Welche Chancen eröffnen sich? Wie kann man die Veränderungen im eigenen Unternehmen bestmöglich gestalten? Wo sind die Fallstricke? Um diese und weitere Fragen zu beantworten, hat der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) im vergangenen Jahr Expertenteams aus Verbands- und Unternehmensvertretern gebildet. Herausgekommen sind nach einjähriger, intensiver Arbeit wertvolle Praxishilfen für die Unternehmen - die „Toolbox Arbeiten 4.0”. Diese bedient die Themenschwerpunkte zeit- und ortsflexibles Arbeiten, Gesundheit, Bildung sowie Datenschutz und soll die Unternehmen bei der Umsetzung des digitalen Wandels unterstützen. „Die Digitalisierung fordert uns, Arbeitszeit und Arbeitsort neu zu definieren. Dieser Herausforderung muss sich jedes Unternehmen stellen. Statt der heute noch vielerorts vorhandenen Präsenzkultur wird in Zukunft noch viel mehr als heute entscheidend sein, dass Mitarbeiter die vereinbarten inhaltlichen Ziele erreichen. Die Toolbox Arbeiten 4.0 der Chemie-Arbeitgeber bietet anwendungsorientierte Instrumente, die den Einstieg in die neue Arbeitswelt erleichtern“, so Ralf Bruns, Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbands der chemischen Industrie Aachen.
Ob in der Bahn, im Büro oder von zu Hause aus: Die Digitalisierung entkoppelt Arbeit von Zeit und Raum. Was der eine als Verheißung sieht, weil es Beruf und Privatleben besser in Einklang bringt, nimmt der andere als Bedrohung wahr, weil er fürchtet, die Arbeit könne das Privatleben stärker durchdringen als gewünscht. Auch viele Vorgesetzte sehen eine Abkehr von der Präsenzkultur kritisch, weil damit vermeintlich ein Kontrollverlust verbunden wäre. Deshalb ist es umso wichtiger, den Unternehmen und Beschäftigten die Chancen der Digitalisierung aufzuzeigen und die Angst vor Veränderungen zu nehmen.
Die Arbeitsgruppe Zeit- und ortsflexibles Arbeiten 4.0 beim BAVC hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Unternehmen sowohl für komplexere Change-Management-Projekte als auch für den täglichen Umgang mit den Neuerungen Unterstützung an die Hand zu geben. Hierzu wurden Betriebsvereinbarungen, Good-Practice-Beispiele und Tarifverträge analysiert, um aus diesen die besten Instrumente herauszuarbeiten und den Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Nach dem Motto: Aus der Praxis für die Praxis.
Baukasten für unterschiedliche Lebensphasen
Mit dem digitalen Wandel wird die individuelle Anpassung der Arbeit an bestimmte Lebensphasen noch wichtiger. Gleichzeitig werden Qualifizierung und Weiterbildung während des gesamten Erwerbslebens an Bedeutung gewinnen, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und zugleich die Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Deshalb haben wir für unsere Toolbox einen Baukasten entwickelt, mit dem Unternehmen lebensphasenorientiertes Arbeiten ermöglichen können. Nach dem „pick and choose”-Prinzip lassen sich maßgeschneiderte Modelle auf Grundlage der gesetzlichen und tariflichen Regelungen entwickeln. Hervorzuheben ist das tarifvertragliche Instrument „Langzeitkonto”, das jede Lebensphase abdecken kann - sei es die Weiterbildung, Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen, ein Sabbatical oder den Übergang in den Ruhestand.
Navigator für mobiles Arbeiten
Mobiles Arbeiten bringt sowohl für Beschäftigte als auch für Unternehmen Vorteile mit sich: Mitarbeiter sind aufgrund der Zeit- und Ortssouveränität zufriedener und motivierter. Unternehmen profitieren davon mit einem positiven Arbeitgeberimage und einer potenziellen Produktivitätssteigerung. Allerdings ist nicht jeder Arbeitsplatz für mobiles Arbeiten geeignet. Auch ist weder von Arbeitgeber- noch von Arbeitnehmerseite ein reines Homeoffice erwünscht. Arbeitet ein Arbeitnehmer nur von zu Hause, wirkt sich dies nachteilig auf die Kommunikation im Team aus, und der Arbeitnehmer verliert den sozialen Anschluss im Betrieb. Der Erfolg mobiler Arbeit steht und fällt mit einer entsprechenden Vertrauenskultur im Unternehmen und der Bereitschaft der Beschäftigten, offen für Veränderungen zu sein. Mobiles Arbeiten ist hauptsächlich eine Kultur- und Führungsfrage. Der Navigator kann helfen, den nötigen Kulturwandel im Unternehmen zu begleiten.
Auch wenn mobiles Arbeiten gesetzlich nicht explizit geregelt ist, handelt es sich nicht um einen rechtsfreien Raum. So müssen beispielsweise weiterhin arbeitszeitrechtliche, mitbestimmungs- und datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen beachtet werden. Der Navigator benennt die wesentlichen rechtlichen Aspekte, mit denen sich ein Unternehmen auseinandersetzen muss, wenn es mehr Mobilität in der Arbeitswelt ermöglichen will.
Damit mobiles Arbeiten noch attraktiver und rechtssicherer wird, ist der Gesetzgeber gefragt, das Arbeitszeitgesetz an die Anforderungen der modernen Arbeitswelt anzupassen. So muss es zum Beispiel möglich sein, abends eine dienstliche E-Mail zu lesen, ohne dass die elfstündige Ruhezeit von Neuem beginnt. Zumindest aber müssen die Tarifvertragsparteien im Rahmen von Öffnungsklauseln abweichende Regelungen treffen können.
Baukasten für mehr Flexibilität in der Schichtarbeit
Flexible Arbeitszeiten in der Produktion - für viele nicht vorstellbar. Natürlich ist der Spielraum für einen Schichtarbeiter in der Produktion geringer als bei einem klassischen Büromitarbeiter. Dennoch gibt es mehr Flexibilität für Beschäftigte in Schichtarbeit als man denkt: Schicht-Doodle, Teilzeit und Gleitzeit, Job-Sharing und die Kombination mit anderen Arbeitszeitmodellen - all das sind Wege, mit denen sich auch im gewerblichen Bereich eine flexible Arbeitswelt gestalten lässt. Anhand einer Reihe von Good Practice-Beispielen im Baukasten „Flexibilität in der Produktion” können Unternehmen von den Erfahrungen anderer profitieren und die für sich passenden Instrumente auswählen.