#chemie22: Sozialpartner ziehen an einem Strang

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BAVC und IGBCE bauen gemeinsam eine Brücke über die wachsende Unsicherheit aufgrund des Krieges in der Ukraine und seiner Folgen für die Wirtschaft: Die Verhandlungen werden aufgrund der dramatisch geänderten politischen und wirtschaftlichen Situation vorläufig ausgesetzt. Sie sollen im Oktober 2022 wieder aufgenommen werden. Um die Effekte der Inflation zu dämpfen, erhalten die Beschäftigten eine Brückenzahlung in Höhe von 1.400 Euro. Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten zahlen ihren Beschäftigten einmalig 1.000 Euro. Der Kompromiss gilt für 1.900 Betriebe mit 580.000 Beschäftigten. Mit 1 Million Euro unterstützen die Chemie-Sozialpartner zudem die Hilfe für die Ukraine.  

BAVC-Präsident Beckmann: „Sozialpartner ziehen an einem Strang“ 

„Die Folgen dieses Krieges werden unsere Branche auf Jahre hinaus vor große Herausforderungen stellen. Umso wichtiger ist, dass die Sozialpartner an einem Strang ziehen“, unterstreicht BAVC-Präsident Kai Beckmann. „In einer Phase extremer Unsicherheit sorgen wir für etwas mehr Verlässlichkeit auf beiden Seiten. Dieser besondere Kompromiss zeigt, dass wir unserer Verantwortung auch in äußerst schwierigen Zeiten gerecht werden. Wir setzen darauf, die Lage Ende des Jahres besser einschätzen zu können. Das heißt nicht, dass die Verhandlungen dann einfacher werden. Aber sie finden hoffentlich auf einer solideren Grundlage und in Friedenszeiten statt. Dass wir mit dem Ergebnis heute auch die duale Ausbildung stärken, ist ein weiterer Beleg für die Handlungsfähigkeit der Sozialpartner.“ 

BAVC-Verhandlungsführer Oberschulte: „Atempause für Betriebe und Beschäftigte“  
„Mit der Krisen-Brücke verschaffen wir Unternehmen und Beschäftigten eine dringend benötigte Atempause“, unterstreicht BAVC-Verhandlungsführer Hans Oberschulte. „Das ist die richtige Antwort auf die maximale Unsicherheit, die wir seit Putins Invasion erleben. Jetzt um Prozente zu streiten, würde dem Ernst der Lage nicht gerecht. Unter dem Strich ist das eine krisengerechte Lösung, die die Interessen beider Seiten ausgewogen berücksichtigt. Auch gesamtwirtschaftlich setzen wir damit ein wichtiges Signal: Mit Augenmaß und guten Ideen können wir der drohenden Lohn-Preis-Spirale entgegen wirken. Die weiteren wirtschaftlichen Folgen des Krieges werden wir in regelmäßigen Abständen gemeinsam bewerten und geeignete Maßnahmen treffen.“ 

Die Elemente der Einigung im Detail 

BAVC und IGBCE haben sich auf folgende Punkte verständigt: 

Brückenzahlung zur Dämpfung der Inflation – Fortsetzung der Verhandlungen im Oktober 2022 
Die Chemie-Beschäftigten erhalten eine Brückenzahlung in Höhe von 1.400 Euro. Diese geht nicht dauerhaft in die Tariftabelle ein. Die Einmalzahlung ist flexibilisiert. Bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten (Verlust in 2021; Nettoumsatzrendite unter 3 Prozent für 2021 oder voraussichtlich für 2022) wird die Zahlung auf 1.000 Euro gekürzt. Die Auszahlung erfolgt bis Ende Mai 2022. Auszubildende erhalten 500 Euro.

Ob dauerhafte Entgeltsteigerungen möglich sind, verhandeln Arbeitgeber und IGBCE erneut bei der Fortsetzung der Verhandlungen im Herbst dieses Jahres. Bis Ende Oktober gelten die bisherigen Entgelttabellen unverändert weiter. 

Chemie-Sozialpartner spenden 1 Million Euro für die Ukraine-Hilfe
BAVC und IGBCE spenden über den Unterstützungsverein der Chemischen Industrie (UCI) 1 Million Euro, die insbesondere zur Arbeitsmarktintegration Geflüchteter eingesetzt werden sollen. Unternehmen und Beschäftigte unserer Branche verurteilen Wladimir Putins Angriffskrieg aufs Schärfste und fordern ein sofortiges Ende aller Kampfhandlungen. 

Schichtarbeit
BAVC und IGBCE haben sich darauf verständigt, die Zuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit einheitlich auf 20 Prozent festzulegen. Bislang lagen diese bei 15 Prozent bzw. 20 Prozent. Mit dieser Regelung wird Schichtarbeit noch attraktiver. 

Ausbildung
Um Auszubildende mit Förderbedarf zu unterstützen, investieren die Chemie-Sozialpartner 3 Millionen Euro in das neue UCI-Programm „AusbildungPlus“. Damit werden junge Menschen mit pandemiebedingten Lernrückständen in kleinen und mittleren Unternehmen gefördert. Sie erhalten bei Bedarf eine zusätzliche Lernunterstützung, um Nachteile und erschwerte Startchancen infolge der Corona-Pandemie auszugleichen. Das Programm ist auf zwei Jahre befristet. Je Auszubildenden ist eine Förderung von bis zu 1.000 Euro möglich. So können etwa 1.500 Auszubildende pro Jahr gefördert werden, ein Sechstel eines Jahrgangs. Kern der Förderung ist die Lernbegleitung im ersten Ausbildungsjahr sowie die Prüfungsvorbereitung der Ausbildungs- und Prüfungsjahrgänge 2022 und 2023, die in besonderem Maße von den Folgen der Pandemie betroffen sind. 

Mobiles Arbeiten
BAVC und IGBCE haben vereinbart, die Praxis des mobilen Arbeitens wissenschaftlich begleitet zu untersuchen. Ergebnisse sollen im Jahr 2023 vorliegen. Ziel der Studie ist, die bisherige Praxis mobiler Arbeit unter Beteiligung sowohl der Beschäftigten als auch der Unternehmen zu analysieren und zu bewerten. Im Anschluss prüfen die Sozialpartner, ob sich tarifpolitische Maßnahmen aus der Studie ableiten lassen. 

Sozialpartner-Modell zur betrieblichen Altersvorsorge
Die Chemie-Sozialpartner entwickeln das erste branchenweite Sozialpartner-Modell für die betriebliche Altersvorsorge. BAVC und IGBCE werden bis 30. Juni die tariflichen Regelungen schaffen, um reine Beitragszusagen für Neuzusagen zu ermöglichen. Der gemeinsam von den Tarifpartnern mit der R+V Versicherung angebotene Chemie-Pensionsfonds soll als erste Versorgungseinrichtung in der Branche auf das neue Modell umgestellt werden.  

Ziel ist, auch neu hinzukommenden Beschäftigten eine attraktive Versorgung mit guten Renditechancen anbieten zu können und gleichzeitig Haftungsrisiken für die Unternehmen angesichts der andauernden Niedrigzinsphase zu vermeiden. Bestehende Verträge und Versorgungen werden zu den vereinbarten Konditionen vom Chemie-Pensionsfonds fortgeführt und sind von den Überlegungen grundsätzlich nicht betroffen. Das Sozialpartner-Modell tritt neben die bisherigen Zusageformen der betrieblichen und tariflichen Altersversorgung, die ebenfalls weiterhin angeboten werden. 

Altersfreizeiten
Für die Altersfreizeiten in der chemischen Industrie gibt es künftig mehr Flexibilität: So können Unternehmen und Beschäftigte vereinbaren, die Altersfreizeiten zu ersetzen durch einen flexiblen Übergang in den Ruhestand, durch eine Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung oder in die betriebliche Altersvorsorge. Welches Modell im Betrieb angeboten wird, entscheidet der Arbeitgeber; die Nutzung setzt beiderseitige Zustimmung voraus. Kommt eine der Optionen zur Anwendung, steht dem Arbeitgeber heute mehr Arbeitsvolumen zur Verfügung. Altersfreizeiten im Umfang von 2,5 Stunden pro Woche erhalten nach Tarifvertrag alle Beschäftigten ab dem 57. Lebensjahr; bei Beschäftigten in Schichtarbeit sind es 3,5 Stunden pro Woche ab dem 55. Lebensjahr. Sie werden künftig anteilig allen Teilzeit-Mitarbeitern gewährt.