Die Stimmung der Unternehmen der nordrhein-westfälischen Metall- und Elektroindustrie hat sich zum Jahreswechsel 2022/23 deutlich eingetrübt. Zwar werde die aktuelle Wirtschaftslage in den Betrieben noch überwiegend positiv eingeschätzt, die Erwartungen für die nächsten Monate seien jedoch so pessimistisch wie seit dem Jahr 2009 nicht mehr. Dies ist das Ergebnis einer am Donnerstag in Düsseldorf vorgelegten aktuellen Konjunkturumfrage des Verbandes der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen (METALL NRW) zum Jahreswechsel 2022/2023. An der Umfrage haben 389 Betriebe mit mehr als 140.000 Beschäftigten, darunter auch die Mitgliedsunternehmen des Unternehmerverbands der Metall- und Elektroindustrie Aachen. Die M+E-Industrie ist der bedeutendste Industriezweigs des Landes teilgenommen haben.
Exorbitant gestiegene Energie- und Rohstoffpreise, die Unsicherheit über die tatsächlichen Entlastungen insbesondere der energieintensiven Betriebe, die vielerorts immer noch bestehenden Störungen der internationalen Lieferketten, die allgemeine Ungewissheit über die globale Wirtschaftsentwicklung und die schwindende Wettbewerbsposition des Industriestandorts Deutschland machten den M+E-Unternehmen schwer zu schaffen. Und nicht zuletzt nach dem jüngsten Tarifabschluss bliebe die Belastung durch Lohnkosten im internationalen Vergleich auf einem hohen Niveau. Ungeachtet dessen erweise sich die Beschäftigungssituation angesichts des zunehmenden Arbeitskräfte- und Fachkräftemangels insgesamt als robust.
Der Präsident von METALL NRW, Arndt G. Kirchhoff, bezeichnete die Ergebnisse der Umfrage seines Verbandes als „deutliches Warnzeichen für die Konkurrenzfähigkeit unseres Industriestandorts“. Die Wettbewerbsposition der Unternehmen an den heimischen Standorten verschlechtere sich im internationalen Vergleich zusehends. „Die Energiepreise müssen jetzt schleunigst runter, sonst bleiben die Konjunktursignale auf Rot und wir laufen Gefahr, in eine ernsthafte Rezession hineinzurasseln“, erklärte Kirchhoff. Große Sorge bereite ihm die per Saldo kräftige Abkühlung der Investitionspläne in den Unternehmen. Es müsse nun alles getan werden, um die nordrhein-westfälische Industrie durch die schwierige Situation zu bringen. Da seien das Land, vor allem aber der Bund gefordert. „Dazu gehören jetzt auch große Schritte bei der Planung und Genehmigung von Infrastrukturprojekten und richtig Tempo bei der Beschleunigung der Verfahren“, sagte Kirchhoff. Die zügige Planung und Inbetriebnahme des neuen LNG-Terminals in Wilhelmshaven zur Sicherung der Energieversorgung Deutschlands zeige, dass hierzulande vieles möglich sei. „Wilhelmshaven muss die Benchmark sein für alles, was für eine zügige Energie- und Mobilitätswende und für die Umsetzung der nachhaltigen digitalen Transformation nötig ist“, betonte der NRW-Metallarbeitgeberpräsident. Die Politik müsse sich endlich klarmachen, dass die Industrie die Basis für Wohlstand und Arbeitsplätze in diesem Land sei. Die Anspannung in den Betrieben sei auch zum Jahresanfang 2023 nach wie vor mit Händen zu greifen. „Die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie muss jetzt Priorität bei politischen Entscheidungen haben, das ist entscheidend für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands“, forderte Kirchhoff.
Die Ergebnisse der METALL-NRW-Umfrage im Einzelnen:
Geschäftslage: Mit der aktuellen Wirtschaftslage ist die nordrhein-westfälische M+E-Industrie noch überwiegend zufrieden, wenngleich die Beurteilung weniger positiv ausfällt als noch vor Jahresfrist: 40 Prozent der befragten Unternehmen bezeichnen ihre gegenwärtige Geschäftslage als „gut“ (2021/22: 46 Prozent). 16 Prozent sind mit der aktuellen Lage „unzufrieden“ (2021/22: 14 Prozent).
Geschäftserwartungen: Wird dieLage gegenwärtig noch positiv betrachtet, sehen die Betriebe die Geschäftsperspektiven für die nächsten sechs Monate sehr pessimistisch. 40 Prozent erwarten rückläufige Geschäfte (2021/22: 18 Prozent), nur 9 Prozent erwarten eine Besserung (2021/22: 16 Prozent).
Auftragslage: Die aktuelle Auftragslage wird unter dem Strich noch positiv bewertet, das Vorjahresniveau indes schon deutlich unterschritten.
· Die Ordertätigkeit aus dem Inland bezeichnen 38 Prozent als „gut“ (2021/22: 52 Prozent), demgegenüber 21 Prozent als „schlecht“ (2021/22: 16 Prozent).
· Die Nachfrage aus dem Ausland bewerten 35 Prozent der Betriebe als „gut“ (2021/22: 46 Prozent), dagegen 22 Prozent als „schlecht“ (2021/22: 16 Prozent).
Auftragserwartungen: Deutlich pessimistisch sind die Aussichten, wenn nach den Auftragserwartungen gefragt wird, die sich im Vorjahresvergleich klar verschlechtert haben.
· Bei den Inlandsaufträgen erwarten nur 9 Prozent eine Verbesserung (2021/22: 17 Prozent). An eine Verschlechterung glauben derzeit 38 Prozent (2021/22: 18 Prozent).
· Bei den Auslandsbestellungen rechnen nur 11 Prozent in den kommenden sechs Monaten mit einer Verbesserung (2021/22: 20 Prozent). Eine Verschlechterung erwarten indes 32 Prozent (2021/22: 16 Prozent).
Ertragslage: Auch die Ertragslage hat sich deutlich eingetrübt: Während die Zahl der Betriebe, die ihre Erträge als „gut“ bezeichnen, auf 27 Prozent gesunken ist (2021/22: 33 Prozent), hat sich die Zahl der Unternehmen, die ihre Ertragslage als „schlecht“ bewerten, auf 26 Prozent erhöht (2021/22: 24 Prozent).
Ertragserwartungen: Der Blick auf die Erträge der nächsten sechs Monate ist in der nordrhein-westfälischen M+E-Industrie sehr skeptisch. Mit einer rückläufigen Ertragsentwicklung rechnen 45 Prozent (2021/22: 25 Prozent), mit einer Verbesserung nur noch 10 Prozent (2021/22: 17 Prozent).
Investitionen: SinkendeNachfrage und schwache Ertragslage machen sich auch bei den Investitionsplänen der Unternehmen bemerkbar: Während im Vorjahr die Zeichen noch auf Expansion standen, zeichnet sich für das kommende Jahr eine spürbare Abkühlung der Investitionstätigkeit ab.
· Im Inland wollen 22 Prozent der Betriebe ihre Investitionen ausweiten, im Vorjahr waren es noch 35 Prozent. Dagegen wollen 27 Prozent der Firmen ihre Investitionen zurückfahren (2021/22: 14 Prozent).
· Im Ausland planen 13 Prozent mit zunehmenden Investitionen (2021/22: 22 Prozent), demgegenüber beabsichtigen 23 Prozent (2021/22: 10 Prozent), ihre Investitionen zu drosseln.
Beschäftigung: Ungeachtet der mit Blick auf das nächste Halbjahr größer werdenden Unsicherheit angesichts mannigfaltiger Risikofaktoren bleibt die Beschäftigung im wichtigsten Industriezweig Nordrhein-Westfalens vergleichsweise stabil.
· Neueinstellungen: Während in den vergangenen sechs Monaten 33 Prozent der Betriebe Neueinstellungen meldeten, planen dies für das nächste Halbjahr 22 Prozent. Vor einem Jahr lagen die Vergleichswerte noch bei 41 Prozent (2. Halbjahr 2021) und 32 Prozent (1. Halbjahr 2022).
· Beschäftigungsabbau: In den vergangenen sechs Monaten haben 9 Prozent der Unternehmen Beschäftigung abgebaut, für die nächsten sechs Monate planen 10 Prozent mit einer rückläufigen Beschäftigung. Vor Jahresfrist lagen die Vergleichswerte bei 12 Prozent (2. Halbjahr 2021) und 9 Prozent (1. Halbjahr 2022).
· Kurzarbeit: Der Anteil der Unternehmen mit Kurzarbeit hat erfreulicherweise inzwischen weiter abgenommen und lag in den vergangenen sechs Monaten bei 11 Prozent, für die nächsten sechs Monate ist allerdings wieder mit einem Anstieg auf 20 Prozent zu rechnen. Vor einem Jahr meldeten 19 Prozent der Betriebe für das 2. Halbjahr 2021 sowie 13 Prozent für das 1. Halbjahr 2022 Kurzarbeit.
Ausbildung: Als stabil erweist sich erfreulicherweise die Ausbildungssituation in der nordrhein-westfälischen Metall- und Elektroindustrie. Nach wie vor wollen deutlich mehr als zwei Drittel der Betriebe (69 Prozent) ihr hohes Engagement unverändert beibehalten (2021/22: 70 Prozent). Erfreulich: Gegenwärtig planen erneut ein Fünftel (20 Prozent) der Betriebe eine Ausweitung ihres Ausbildungsplatzangebots (2021/22: 19 Prozent). Nur einer von zehn Betrieben (11 Prozent) meldet – wie im Vorjahr – einen Rückgang von Ausbildungsplätzen.